Der Handlungsbedarf im Umweltschutzgesetz scheint unbestritten: Sowohl die Siedlungsentwicklung nach innen (mit dem Zweck des gezielten verdichteten Bauens) als auch der Schutz vor Lärmbelastung sind wichtige Anliegen. Allerdings verhindern heute starre oder zu pauschale Lärmschutz-Vorgaben oftmals das Bauen. Genau dies soll mit der Änderung des Umweltschutzgesetzes (USG) angepasst werden, um diese Interessen besser in Einklang zu bringen.

 

Eine klare Lösung auch für den Fluglärm

In dicht bebauten Gebieten besteht vor allem beim Verkehrslärm Handlungsbedarf. Für Strassen- und Schienenlärm hat der Bundesrat in seiner Botschaft einleuchtende Massnahmen vorgesehen. Mit baulichen Verbesserungen soll dem Schutzbedürfnis Rechnung getragen werden, auch wenn die Wohneinheit neben einer viel befahrenen Strasse oder eines Zuggleises steht. Bei Fluglärm gibt es allerdings keine «von der Lärmseite abgewandte» Wohnungsseite. Hier flüchtet sich die Botschaft in eine allgemeine Ausnahmepraxis, indem auch bei genereller Überschreitung der Lärmgrenzwerte gebaut werden darf. Dies führt zu einem unbefriedigenden Ergebnis: Auf der einen Seite wird eine Lärmbelastung zugelassen, auf der anderen Seite wird diese als nicht hinnehmbar eingestuft.

Diese pauschale Ausnahmepraxis ist unkonkret und ohne gesetzliche Gewähr. Dies hemmt die Investitionssicherheit fürs Bauen und Eigentümer und schränkt die Planungssicherheit für den Flughafenbetrieb ein. Ein konstruktiver Vorschlag der Schweizer Landesflughäfen und der Aerosuisse soll dieses Manko beheben und Rechtssicherheit für alle schaffen.

 

Angepasste Lärmgrenzwerte

Der Vorschlag sieht für von Fluglärm belasteten Gebieten, wo weiterhin eine bauliche Entwicklung möglich sein soll, angepasste Lärmgrenzwerte vor. Im Umfeld von Fluglärm soll es Zonen geben, in denen für Wohnnutzungen aufgrund der besonderen Sach- und Interessenlage weniger strenge Lärmgrenzwerte gelten, vergleichbar mit Mischzonen (Wohn- und Gewerbezonen). Dies beträfe Zonen, in denen schon heute Wohnen stattfindet, die Lärmgrenzwerte aber überschritten werden. Mit angepassten Lärmgrenzwerten würden klare Bedingungen geschaffen, um diejenigen Gebiete zu bestimmen, in denen eine Siedlungsentwicklung nach innen gewollt ist und daher auch zukünftig gebaut bzw. umgebaut werden kann. Dies mit der Transparenz und Gewissheit, dass in diesen Zonen die Grenzwerte eingehalten werden können

 

Rechtssicherheit für alle schaffen

Situationsgerecht angepasste Lärmgrenzwerte schaffen klare Bedingungen anstelle einer pauschalen Ausnahmeregelung. Einwohnerschaft, Immobilienbesitzer, Gemeinden und der Flugbetrieb erhalten Rechtssicherheit. Teile des Vorschlags fanden in der Umweltkommission des Ständerats Gehör und wurden als Minderheitsantrag aufgenommen, den der Ständerat in der Wintersession 2023 ablehnte. Die Schwäche dieser Teilübernahme lag in ihrer Unvollständigkeit. Eine stringente Siedlungsentwicklung nach innen setzt voraus, dass auch unter den «Anforderungen an die Bauzonen» eine entsprechende Ergänzung vorgenommen wird. Dieses Element fehlte im Minderheitsantrag im Ständerat. Der Nationalrat hat nun die Gelegenheit, diesen ganzheitlichen Vorschlag für mehr Transparenz und Verbindlichkeit in Sachen Fluglärmschutz und verdichtetes Bauen in die Gesetzesvorlage aufzunehmen.

Richtplanrevision führt zu Zunahme der lärmbetroffenen Bevölkerung

Am 11. März 2024 wird der Zürcher Kantonsrat die «Teilrevision 2020» des kantonalen Richtplans beraten. Die Revision beinhaltet unter anderem die Umklassierung der Gemeinden Oberglatt, Niederhasli und Niederglatt vom Handlungsraum «Landschaft unter Druck» in «urbane Wohnlandschaft». Die drei Gemeinden befinden sich im Nahbereich des Flughafens. Das zeigt: Wohnen in Flughafennähe ist attraktiv, denn die Flughafenregion gehört zu den «Boom- Regionen» der Schweiz. Fakt ist auch, dass die Fluglärmbetroffenheit in diesen Gebieten relativ hoch ist.

Mit der Umklassierung im Richtplan sollen Entwicklungspotenziale im Wohnungsbau in diesen Gemeinden realisiert werden können. Dabei geht es um die Schaffung zusätzlicher Wohnnutzungsreserven. Was im Sinne einer Entwicklungsstrategie der Gemeinden und auch zum Zweck der Siedlungsentwicklung nach innen sinnvoll ist, schafft Konflikte mit dem Lärmschutz.

Basierend auf dem nationalen Umweltschutzgesetz verbietet es der Lärmschutz grundsätzlich, dass in Gebieten mit Fluglärmbelastung zusätzliche Wohnungnutzungsreserven geschaffen werden. Dies wird raumplanerisch mit der sogenannten Abgrenzungslinie (AGL) umgesetzt. Mit der vorliegenden Richtplanrevision soll neu innerhalb der AGL sowie in Gebieten mit Planungswert- und teilweise auch Immissionsgrenzwert-Überschreitungen das Bauen ermöglicht werden.

Mit der bezüglich Lärmschutz unabgestimmten Umklassierung werden nicht nur Konflikte im rechtlichen Sinn geschaffen, sondern auch Widersprüche zur Sachplanung des Bundes und aktuellen flughafenbezogenen Leitlinien des Regierungsrats. Gemäss der kantonalen Flughafenpolitik sollen die «Beeinträchtigungen der Bevölkerung durch den Flugbetrieb möglichst gering gehalten werden.» Werden im lärmbelasteten Gebiet neue Wohnzonen geschaffen, steigt die Anzahl von Fluglärm betroffenen Personen und unter anderem auch der Zürcher Fluglärmindex (ZFI). Spannungsverhältnisse zwischen Raumplanung und Lärmschutz werden mit dem Vorgehen demnach nicht gelöst, sondern schlicht ausgeblendet.

Die Flughafen Zürich AG verwehrt sich nicht grundsätzlich der Siedlungsentwicklung in der Flughafenregion, sondern setzt sich für bessere Rechtssicherheit zur Koexistenz von Lärmschutz, Flugbetrieb und Siedlungsentwicklung ein. Umso mehr nimmt sie diese Entwicklungen in der kantonalen Raumplanung zum Anlass, sich auf Bundesebene für eine Anpassung im Umweltschutzgesetz einzusetzen.