18. September 2025

Die Oase nach der Passkontrolle

von Micha Brandstetter

  • Aviatik

Das Transit Hotel steht mitten im Passagierbetrieb. Wer hier Zeit überbrückt bis zum Flug, findet Flughafenatmosphäre, menschliche Wärme und einen Ort zum Durchatmen.

«Oh, ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt» ist eine der häufigsten Reaktionen von Reisenden, die an der Rezeption vorbeilaufen und denen sie das Angebot vorstellt, erzählt Esther Armand, die das Transit Hotel und die Dayrooms leitet. Viele sind verblüfft, wenn sie erfahren, dass es am Flughafen Zürich eine Unterkunft  nach der Passkontrolle gibt. Die Überraschung ist fast immer positiv: «Gerade nach dem Aufenthalt bedanken sich die Gäste herzlich dafür, dass sie bei uns einen ruhigen Ort zum Schlafen oder Arbeiten gefunden haben. Ausgeruht wirken selbst die müdesten Gesichter wieder entspannt», so Armand. Das Transit Hotel befindet sich seit 15 Jahren im Dock D, also im Non-Schengen-Bereich des Docks B. Von Nutzen ist es vor allem für Passagiere, die in Zürich umsteigen, aber kein Visum haben, um in die Schweiz einzureisen. Für viele von ihnen ist es die einzige Möglichkeit, sich während eines langen Zwischenstopps auszuruhen. Mit seinen 14 Zimmern, acht Zustellbetten und zwölf Liegen im Ruheraum bietet die Unterkunft Platz für maximal 43 Gäste.

Monalisa Leu und Esther Armand (v. l.) leiten das Transit Hotel.

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Mehr als nur ein Bett

Das Angebot ist schlicht, aber durchdacht. Es gibt Einzel-, Doppel- und Dreierzimmer, ausgestattet mit bequemen Betten, Lavabo, TV, Sitz- und Arbeitsmöglichkeit sowie kostenlosen Getränken. Dusche und WC mit abschliessbaren Einzelkabinen inklusive Seife und Shampoo befinden sich auf dem Gang, getrennt nach Damen und Herren. Für kürzere Aufenthalte tagsüber stehen die Zimmer als Dayrooms zur Verfügung, buchbar für drei, sechs oder mehr Stunden. Wer nur ein Nickerchen braucht, findet im Ruheraum eine der zwölf abgetrennten Liegen mit Decke, Handtuch und Zugang zu Dusche und Getränken. WLAN ist für alle Gäste inklusive. Die kleinen Annehmlichkeiten machen das Transit Hotel zu einem wertvollen Zwischenstopp auf Reisen.

Early Birds willkommen

Auch «Frühflieger» ab Zürich nutzen das Angebot. Sie checken am Vorabend ein, durchlaufen Bordkartenkontrolle, Sicherheitskontrolle und Passkontrolle und übernachten in Gehdistanz zu den Gates. An der Rezeption gibt es Adapter, aufwärmbare Fertigmahlzeiten, Zahnbürsten und sogar ein Bügelbrett zum Ausleihen. Kindermahlzeiten können in der Mikrowelle erhitzt werden, Babybetten und Windeln stellt das Team kostenlos bereit. «Wir sind kein Fünfsternehotel, dafür sind der Service und die individuelle Betreuung ein Schwerpunkt von uns», erläutert Monalisa Leu, die einen Teil des Teams leitet. Nicht nur internationale Gäste schätzen diese klassisch-schweizerische Freundlichkeit und Dienstleistungsbereitschaft, auch Einheimische entdecken zunehmend die Vorteile.

In den Zimmern hat man einen einzigartigen Blick aufs Vorfeld.

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Geschichten aus der Zwischenwelt

Das Transit Hotel ist ein Ort, an dem sich die verschiedensten Lebensgeschichten kreuzen. Immer wieder entstehen dabei besondere Momente. Ein frisch verheiratetes Paar auf dem Weg zu seiner Flitterwochendestination übernachtete im Transit Hotel. Das Team dekorierte die Betten mit Rosenblättern, um den Aufenthalt unvergesslich zu machen. «Solche Gesten sind uns wichtig. Sie zeigen, dass wir mehr sind als nur eine Unterkunft», erzählt Armand. Ein anderes Mal bezahlte ein indischer Geschäftsmann spontan das Zimmer für eine Frau mit Kind, die sich den Aufenthalt nicht leisten konnte, obwohl er sie noch nie zuvor gesehen hatte. «Das hat uns alle enorm berührt», erzählt Leu, «in solchen Momenten spürt man, wie sehr Menschen selbst in der Anonymität des Reisens aufeinander achten.»

Die abgetrennten Einzelliegen im Ruheraum bieten ein Stück Komfort und Privatsphäre.

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Allzeit bereit

Das Transit Hotel ist rund um die Uhr geöffnet, oft unter besonderen Bedingungen. Denn in der Nacht sind Esther Armand und ihr Team die einzigen Ansprechpersonen im Gate D. Wenn mehrere verspätete Flüge gleichzeitig eintreffen, kann es schnell voll werden. Dann heisst es durchatmen, einen Gast nach dem anderen einchecken, und immer freundlich bleiben. Auch Ausnahmesituationen gehören zur Geschichte des Transit Hotels: Während der Pandemie oder als der Vulkan auf Island 2010 den Flugbetrieb lahmlegte, war der Andrang zeitweise grösser als das Bettenangebot. Gäste, die wegen eines fehlenden Aufenthaltstitels nicht in die Schweiz einreisen dürfen, werden in Absprache mit den Transfer Desks priorisiert. «Wenn alles voll ist, organisieren die Airlines zusammen mit dem Terminal Management Notunterkünfte auf Matten», führt Leu aus.

 

Ein Team für alle Fälle

Damit alles läuft, braucht es ein Team, das flexibel und stressresistent ist. Die rund fünfzehn Mitarbeitenden bringen ganz unterschiedliche berufliche Rucksäcke mit, von der Pflege über den Verkauf bis zu anderen Aufgaben am Flughafen wie dem Check-in. «Allen gemeinsam ist die Freude an Gästen aus aller Welt und der Optimismus, für jede Situation eine Lösung zu finden», betont Armand. Sie rät allen, frühzeitig zu planen und sich mit den Einreisebestimmungen bei einem Zwischenstopp vertraut zu machen. Als praktischen Hinweis gibt sie mit: «Ich würde immer ein Ladekabel, lebenswichtige Medikamente und eine Kreditkarte im Handgepäck haben. Man weiss nie, ob man mal unerwartet bei uns landet.»

Ornella Jusuf bearbeitet Buchungen von Gästen.

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